Hausbau im TV vs. Realität in der Architektur
Wer Wohnsendungen liebt, der findet im Fernsehen oder bei Netflix eine große Auswahl. In diesen Sendungen werden Häuser in zumeist 60 Minuten umgebaut, saniert oder sogar neu gebaut. Und jedes Finale einer Sendung zeigt die glücklichen und überraschten Eigentümer, die mit Freudentränen in den Augen das „neue“ Zuhause zum ersten Mal bestaunen. Alles ist perfekt möbliert, gestylt und ausgeleuchtet. Doch was unterscheidet diese Sendungen von der Realität in der Architektur?
Einbindung der Bauherren von Anfang an
Anders als im Fernsehen gezeigt, sind bei einem Bauprojekt die Bauherren von Anfang an – und weit vor Baubeginn – in Planung und Umsetzung aktiv eingebunden. Regelmäßige Besprechungen und Abstimmungen zwischen Architekt/in und Bauenden sind der Normalfall. Aus ersten Skizzen entstehen so Grundrisse und ein Baugesuch, welches dann von der Baubehörde genehmigt wird.
Auswahl Handwerker und Innenausstattung
Bauherren, die mit einem Architekten oder einer Architektin bauen, sind auch an der Auswahl der Handwerker beteiligt. Die Bodenbeläge oder die Sanitärkeramik für das Badezimmer wählen sie selbstverständlich selbst aus. Wer möchte, zieht für die Gestaltung der Innenräume einen Raumausstatter oder eine Innenarchitektin hinzu.
Teamarbeit
Ein Bauprojekt ist immer Teamarbeit. Es arbeiten Architekten mit
- Tragwerksplanern,
- Bauleitern,
- Energieberatern,
- SiGeKo und
- den Fachhandwerkern z. B. für Elektroinstallation, Heizungsbau oder Sanitärinstallation
zusammen. Im Gegensatz zu dem, was in manchen Wohnsendungen gezeigt wird, ist nicht ein Bauunternehmen für alle Gewerke zuständig.
Die Projektkoordination der einzelnen Gewerke ist extrem wichtig, damit Zeitpläne eingehalten werden.
Kosten und Sponsoring
Die Kosten für das Bauprojekt werden im Fernsehen nur sehr generell benannt. In der Realität erhalten die Bauherren vor der Beauftragung eines Handwerkers ein Angebot und nach der Ausführung eine genaue Aufschlüsselung der Kosten. Sie bezahlen eine Rechnung erst nach der Prüfung durch den Architekten.
Was man als Zuschauer oft nicht oder nur im Abspann erfährt: Die bei einem im Fernsehen gezeigten Bauprojekt verwendeten Produkte oder Möbel werden manchmal von Sponsoren bereitgestellt. Die Kosten für das Bauprojekt entsprechen dann nicht unbedingt der Wirklichkeit.
Zeit
Am Bildschirm sieht es so einfach und schnell aus. Jedes Bauprojekt wird innerhalb weniger Wochen oder Monate fertiggestellt und in einer Sendung dann auf maximal 60 Minuten geschnitten. In der Realität dauern Bauprojekte je nach Umfang des Projekts mehrere Monate oder auch ein ganzes Jahr (z. B. bei einem Neubau).
Andere Länder, Vorgaben und Bauweisen
Viele der im Fernsehen oder auch bei Netflix gezeigten Wohnsendungen entstehen in den USA. Hier werden die Häuser zumeist in Holzständerbauweise gebaut. Diese lassen sich relativ einfach einreißen oder neu aufbauen. In Deutschland sind dagegen viele Gebäude in Massivbauweise mit Ziegeln oder Beton gebaut. Hier ist ein Umbau aufwendiger.
Auch gelten in Deutschland und in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Landesbauordnungen und Vorgaben, die ein Architekt oder eine Architektin beachten muss. Außerdem gibt es Unterschiede bei der Bauausführung.
Mit einem Hausdach aus der in den USA oft genutzten Teerpappe wird in Deutschland vermutlich kein/e Architekt/in die Bauherren glücklich machen. Hier sind Dachziegel oder eine Dachbegrünung (z. B. bei Flachdächern) oftmals schon in einem Gestaltungshandbuch vorgegeben.
Energieeffizienz
Das Thema Energieeffizienz spielt in den Sendungen eine untergeordnete Rolle. Bislang wird hier wenig über die Dämmung oder das Heizungssystem eines Hauses gesprochen. Auch Solarpaneele werden äußerst selten installiert. Ein großer Unterschied zum Wohnbau in Deutschland.
So besteht z. B. bei neuen Wohnhäusern in Baden-Württemberg eine Solardachpflicht. Dafür werden in den Sendungen aufgrund der anderen klimatischen Bedingungen – wie in Kalifornien – regelmäßig Klimaanlagen montiert.
„Finale“
Das Highlight jeder Wohnsendung ist die Übergabe des Hauses an die Eigentümer, die dann zum ersten Mal das Haus (wieder)sehen. In der Realität läuft eine Übergabe jedoch ganz anders ab als in den Fernsehsendungen.
Es gibt sie in dieser Form nämlich nicht. Jedes Gewerk wird, wenn es fertiggestellt ist, für sich abgenommen und die Gewährleistung beginnt zu laufen.
Ist das Haus fertiggestellt, gehen Bauherren sowie der Architekt oder der Bauleiter noch einmal gemeinsam durch das Haus. Müssen noch Nacharbeiten durchgeführt werden, so wird diese in einem Protokoll vermerkt. Das Aussehen des Hauses ist dabei keine Überraschung, denn die Bauenden waren schon oft auf der Baustelle und haben aktiv mitgeplant und entschieden.
Nach einer Baureinigung ist das unmöblierte Haus dann bereit für den Einzug. Wer keinen Innenarchitekten oder Raumausstatter beauftragt, hat jetzt die Freiheit, die neuen Räume selbst einzurichten.
Gute Unterhaltung aber nicht die Realität in der Architektur
Wohnshows sind gut gemachte Unterhaltung. Als Zuschauer kann man vom Alltag entspannen und sich inspirieren lassen. Doch wer ein eigenes Bauprojekt mit einem Architekten oder einer Architektin in Deutschland plant, dem sollte bewusst sein, dass die Realität in der Architektur und auf dem Bau eine andere ist.